Zum Inhalt springen

Anwesenheitspflichten für Seminare abgeschafft(?)

Mit der Reform des Hochschulgesetzes 2020 wurden für die meisten Veranstaltungen die Anwesenheitspflichten abgeschafft. Während diese schon zuvor für Vorlesungen nicht galten, sind nun auch bisherige Regelungen, nach denen Studierende in Seminaren maximal drei Fehltermine aufweisen dürfen, i.d.R. rechtlich nicht mehr zulässig.

Die neue Gesetzeslage ist an der Uni Trier vielfach noch nicht angekommen. Mangels besseren
Wissens oder mangels Willen dies anzuerkennen.

Die genauen rechtlichen Hintergründe könnt ihr UNTEN nachlesen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass laut HochSchG Anwesenheitspflichten nur noch in begründeten Ausnahmefällen, insbesondere bei Übungen, erlaubt sind.

KONKRETE UMSETzUNG

Doch wie ist nun ein Seminar und wie eine Übung definiert. Die Uni Trier ist hier einen eigenen Weg gegangen und hat eine Typologie von Veranstaltungsformen benannt, für welche weiterhin Anwesenheitspflichten gelten. In der Allgemeinen Prüfungsordnungen (APO) sowohl für den Bachelor, als auch den Master heißt es unter §5 Absatz 5:

Anwesenheitspflichtig sind folgende Lehrveranstaltungen: Exkursion, Geländeübung, Praktikum, Praktische Übung, Laborübung, Sprachübung, Praxisorientiertes Seminar, Projektseminar und Kolloquiumsseminar.“


Diese Veranstaltungstypen sind im Anhang der APO genauer definiert. Ebenso sind in der Anlage nochmal allgemeine Voraussetzungen ausformuliert, die eine Veranstaltung benötigt um anwesenheitspflichtig zu sein. (Siehe Screenshots UNTEN). ,

ZULÄSSIGE ANWESENHEITSPFLICHT?

Ist deine Veranstaltungen als normales Seminar und nicht als Exkursion, Geländeübung, Praktikum, Praktische Übung, Laborübung, Sprachübung, Praxisorientiertes Seminar, Projektseminar oder Kolloquiumsseminar deklariert [und / oder erfüllt nicht deren Definition und Voraussetzungen der APO], dürfen keine Anwesenheitspflichten gelten.

Wird deine Veranstaltung als Exkursion, Geländeübung, Praktikum, Praktische Übung, Laborübung, Sprachübung, Praxisorientiertes Seminar, Projektseminar oder Kolloquiumsseminar deklariert, muss die Veranstaltung der Definition und den Vorsetzungen gemäß der APO standhalten. Sonst dürfen keine Anwesenheitspflichten gelten.
Auch ungeachtet einer zutreffenden Zuordnung zu einer der oben genannten Typen, muss sich die Typologie der APO an der Regelung des Hochschulgesetzes messen lassen. Das Landesgesetz steht über einer Prüfungsordnung.

Grundsätzlich gilt: Deine Veranstaltung ist als normales Seminar deklariert und weist alle traditionellen Eigenschaften auf? Deine Veranstaltung hat keinen Übungscharakter? Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist eine Anwesenheitspflicht nicht rechtskonform! Die „Einübung in den wissenschaftlichen Diskurs“ ist dabei explizit kein Grund für eine Anwesenheitspflicht.

KRITIK

Die Definitionen und Voraussetzungen für die Anwesenheitspflichten in der APO sind weit gefasst und sprachlich schwammig. Insbesondere Veranstaltungstypen wie das „Kolloquiumsseminar“ sind definitorisch sehr nah an einem klassischen Seminar. Für den AStA besteht hier die Gefahr, dass durch das Deklarieren einer Veranstaltung z.B. als Kolloquiumsseminar Anwesenheitspflichten durch die Hintertür eingeführt werden, in Fällen, die nicht im Sinne des Gesetzgebers sind.

Außerdem ist zu kritisieren, dass die Universität kaum über die neue Gesetzeslage informiert und Dozierende diese teils bewusst ignorieren.

VORGEHEN BEI ZWEIFELN

Du bist der Ansicht, dass in deiner Veranstaltung zu Unrecht Anwesenheitspflichten durchgesetzt werden oder bist dir unsicher? Folgendes kannst du tun:

  • Kontaktiere dein*n Dozent*in und weise Sie*Ihn auf deine Bedenken hin.
  • Kontaktiere das Referat für Hochschulpolitik des AStA und lass dich beraten. In Absprache kontaktieren wir deine Dozierenden (natürlich ohne deinen Namen zu nennen).
  • Grundsätzlich steht dir der Rechtsweg offen.

ANHANG DER APO

RECHTLICHER HINTERGRUND

Die Abschaffung der Anwesenheitspflicht ergibt sich aus §26 Absatz 2 Nummer 7 des Hochschulgesetzes (§26 II Nr.7 HochSchG, https://landesrecht.rlp.de/bsrp/document/jlr-HSchulGRP2020pP26) sowie aus der Gesetzesbegründung:

Nach dem neuen Gesetz ist eine Anwesenheitspflicht nur zulässig, wenn „diese erforderlich ist, um das Lernziel der Lehrveranstaltung zu erreichen, insbesondere bei Exkursionen, Praktika, praktischen Übungen und Laborübungen. Letztere Aufzählung spart Seminare klar aus.

Dass normale Seminare hierunter nicht fallen, ergibt sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung: „Präsenzpflichten können in der Prüfungsordnung als Prüfungsvoraussetzungen unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit geregelt werden. Dabei sind die Besonderheit der einzelnen Lehrveranstaltung und das jeweilige konkrete Lernziel zu berücksichtigen. Das mit (derartigen) Lehrveranstaltungen oftmals verfolgte Lernziel der Einübung in den wissenschaftlichen Diskurs lässt sich dabei auf vielfältige Weisen und angesichts heutiger Medien nicht ausschließlich bei Anwesenheit vor Ort erreichen.“ 

Das bisher weithin zur Legitimation ins Feld geführte Argument, wonach das Lernziel eines Seminares nur durch die Einübung des wissenschaftlichen Diskurses vor Ort erreicht werden könne, wird somit explizit negiert.

Des Weiteren stellt die Gesetzesbegründung klar, das Anwesenheitspflichten „rechtfertigungsbedürftige und rechtfertigungsfähige Eingriffe in die Lern- und Studierfreiheit sowie die Freiheit der Berufswahl der Studierenden dar[stellen]. Als grundrechtsrelevante Einschränkungen bedürfen sie einer gesetzlichen Ermächtigung.“

Dass die Gesetzesänderung eine Abschaffung der Anwesenheitspflicht für Seminare bewirkt, hatten ebenfalls Vertreter*innen der Regierungsfraktionen im Landtag bei der Debatte zum Gesetz deutlich betont.

SITUATION IN DER PANDEMIE

Während dies in der Pandemie nicht relevant wurde, da für digitale und hybride Veranstaltungen die Anwesenheitspflichten über die Corona-Prüfungsordnung ausgesetzt waren, ändert sich dies nun mit der Rückkehr zum Präsenzbetreib und dem Auslaufen der Corona-Prüfungsordnung. [An der Stelle sei erwähnt, dass in Gesprächen mit Studivertreter*innen die Universitätsleitung stehts beton hatte, dass sich die Regelung in der Corona-Prüfungsordnung, ungeachtet des genauen Wortlautes, auf ALLE Veranstaltungen, auch jene in Präsenz, beziehen. Erst zum Sommersemester 2022 hat die Universitätsleitung von dieser Auslegung plötzlich Abstand genommen]